Keine Rückkehr der Atomkraft

17.03.2021 | Neue Konzepte täuschen über Probleme hinweg
Spätestens seit der Veröffentlichung des Buches von Bill Gates, das Atomenergie als Lösung für die Bekämpfung des Klimawandels darstellt, kursieren vermehrt Gerüchte über die Renaissance der Atomkraft in den Medien. Die Wiedererweckung der Atomkraft durch neue modulare kleine Reaktoren (SMR) wird von Befürwortern als kostengünstige, emissionsarme und sichere Stromgewinnungsquelle angepriesen. Darüber hinaus sind die neuen Reaktorkonzepte angeblich einfach zu bauen und lösen das Atommüllproblem durch neuartige Technologien.
 
In Verbindung mit SMR wird häufig das Konzept des Flüssigsalzreaktors thematisiert. Ein medial bekanntes Beispiel für einen Reaktor dieser Art ist der Dual-Fluid-Reaktor. Auch hier wird mit Effizienz, Sicherheit und sogar mit dem Begriff Nachhaltigkeit geworben. Kritiker*innen des Ausbaus erneuerbarer Energien führen gerne diese Dual-Fluid-Reaktoren ins Feld, um beispielsweise die Sinnhaftigkeit von größeren Windrad-Projekten zu hinterfragen.
 
Die Realisierbarkeit des Dual Fluid Reaktors steht beispielhaft für alle Reaktoren dieser Art: Das Konzept existiert derzeit nur auf dem Papier. Experten sprechen von einer langwierigen und unrealistischen Umsetzung.  Darüber hinaus gibt es bislang keine wissenschaftlich belastbaren Belege, die die Funktionalität des Konzepts beweisen.
 
Dahingegenberichtete die Süddeutsche Zeitung von zwei umfassenden wissenschaftlichen Untersuchungen über SMR (Link zur ersten Studie, Link zur zweiten Studie).  Diese wurden von dem Bundesamt für die Sicherheit (BASE) der nuklearen Entsorgung in Auftrag gegeben und im März 2021, einen Tag vor dem 10. Jahrestag der Fukushima-Katastrophe, publiziert. Der Präsident des Bundesamts, Wolfram König, zieht daraus folgenden Schluss: „In absehbarer Zeit können möglicherweise zur Verfügung stehende Atom-Technologien weder die Altlasten der Atomenergie-Nutzung beseitigen noch die jetzt anstehenden Zukunftsfragen des Klimawandels beantworten". Damit revidiert er auf Basis der zwei Studien die in öffentlichen Diskussionen fast gebetsmühlenartig wiederholten Aussagen der Atombefürworter.
 
Eine Dokumentation der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags über die Sicherheitsaspekte von Flüssigsalzreaktoren im Speziellen bestätigt diese Aussage in Bezug auf diese Reaktoren. Sie beschreibt die zeitlichen Entwicklungshorizonte von Flüssigsalz Reaktoren als unzureichend, um im Rahmen der CO2 Einsparung als Alternative für die Bereitstellung von Energie in Frage zu kommen.
 
Fortführend kritisiert eine Schweizer Studie von dem Institut für angewandte Ökologie die Entsorgungsproblematik von Atommüll auch bei neuen Reaktorkonzepten. Weltweit gibt es bisher lediglich ein einziges in Betrieb befindliches Endlager für Atommüll. Es befindet sich in Finnland. Mit dieser Problematik wächst das Risiko des Missbrauchs von Atommüll für beispielsweise militärische Zwecke. Abgesehen von Umwelt- und Sicherheitsproblemen müssten laut BASE bis zu zehntausend SMR-Anlagen gebaut werden, um weltweit die derzeit benötigte elektrische Leistung bereitzustellen. Das umzusetzen ist unrealistisch und wäre extrem langwierig.
 
Nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen werden die Probleme der Atomkraft auch mit neuartigen Reaktorkonzepten bestehen. Daher können die Reaktorkonzepte keinesfalls im Zuge des Klimaschutzes eingesetzt, noch als Alternative zu erneuerbaren Energien gesehen werden. Der Traum von der Atomkraft als sicherer und sauberer Stromquelle der Zukunft bleibt daher eine Illusion.