Neu aufteilen: Fairer Straßenraum für alle

07.10.2021 | Rückblick Fachgespräch Mobilität
Wem gehört die Straße? Vor allem den Autofahrerinnen und Autofahrern. Der öffentliche Raum, den sich vor über hundertfünfzig Jahren noch alle Menschen gemeinsam teilten, wird inzwischen vom Auto dominiert. Menschen, die zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind, werden an den Rand gedrängt, wo sie sich schmale Bürgersteige teilen müssen. Dass das kein Zufall ist, verdeutlichte Dr. Jessica Le Bris in ihrem Eröffnungsvortrag für den zweiteiligen Info-Abend „Straßen für Menschen", den die Energieagentur Ebersberg-München gemeinsam mit der Gemeinde Pullach veranstaltete.
 
Die Expertin für Mobilität bei Green City Experience GmbH begann ihr Plädoyer für mehr Gerechtigkeit im Straßenraum mit einem Blick zurück auf Ludwig Hilbersheimer und andere Stadtplaner der Moderne. In ihren Versionen der Stadt von Morgen, die selbst heute noch in Science-Fiction-Filmen transportiert werden, spielt der Mensch als gehendes Individuum gar keine Rolle mehr. Obwohl zum Glück verschont von diesen Dystopien, eifert die gebaute Realität in deutschen Städten diesen Vorbildern leider viel zu oft nach – insbesondere in jenen, die sich im Wiederaufbau zur „Autofreundlichkeit" bekannten.
 
Wie kann man das ändern? Das zeigen die Blicke nach Paris und anderen europäischen Metropolen, die zunehmend radikaler gegen den Autoverkehr vorgehen. Doch Verdrängung kann nicht die Problemlösung sein. Stattdessen braucht es, so Jessica Le Bris, ein besseres Verständnis des öffentlichen Raums als Begegnungs- und Integrationsraum.
 
An diese Argumentation knüpfte Anika Meenken vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) im zweiten Vortrag des Abends an. Bevor sie jedoch zu diesem Thema kam, machte sie noch einmal auf die gesundheitlichen Risiken für Kinder und Jugendliche aufmerksam, die eine Autokultur mit sich bringt: Durch das Fehlen eigenständiger Mobilitätserfahrungen bekommen Kinder heute immer weniger Bewegung, können sich schlechter orientieren und finden sich auch grundsätzlich schlechter im Verkehr zurecht.
 
Deshalb plädieren der VCD und Anika Meenken für eine kindgerechte Infrastruktur, die Kindern die Teilnahme am Verkehr ermöglicht und zugleich den öffentlichen Raum so gestaltet, dass sie sicher unterwegs sein können. In der Konsequenz bedeutet auch das einen Rückbau von Straßen zugunsten breiter Rad- und Fußgängerwege und zugleich einen Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs.
 
So ließen sich, das ist das Fazit des Abends, nicht nur die gegenwärtigen Verkehrsprobleme lösen und der Straßenraum gerechter aufteilen, sondern im Nebeneffekt auch noch die verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen senken. Allein, es fehlt (noch) der Wille zum Umbau. Vielleicht trug das Fachgespräch dazu bei, dass die eine oder der andere ins Grübeln gekommen ist.
 


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